ROBERT FLEISCHANDERL
NEWS
Fotokunstausstellung im Öffentlichen Raum
Heldenplatz / Burgring / MuseumsQuartier
8. November bis 10. Dezember 2024,
anlässlich 16 Tage gegen Gewalt
Eröffnung der Ausstellung durch Mag.a Doris Schmidauer
am 8. November 2024, 11h, vor dem Äußeren Burgtor
Artist Walk&Talk durch die Ausstellung
am 16. November 2024, 11h, Treffpunkt Äußeres Burgtor
Präsentation der Publikation zur Ausstellung
am 25. November 2024, dem Internationalen Tag gegen
Gewalt an Frauen, 19h, Raum D, MuseumsQuartier
Jede dritte Frau* in Österreich hat laut Statistik Austria bereits körperliche oder sexualisierte Gewalt erleben müssen. 26 Femizide und 41 Mordversuche gab es 2023 in Österreich. 15.115 Betretungs- und Annäherungsverbote wurden verhängt.
Robert Fleischanderl hat sich in seinem Fotokunstprojekt „Warum lachst Du nicht? 14 Geschichten über häusliche Gewalt“ mit dieser sensiblen Thematik auseinandergesetzt. Initiiert von Michaela Egger, Gewaltschutzzentrum Niederösterreich und in Kooperation mit dem Bundesverband der Gewaltschutzzentren Österreichs und dem MuseumsQuartier Wien entstand nach mehr als zwei Jahren Arbeit dieses Kunstprojekt.
14 Klientinnen erlaubten dem Künstler Einblick in die Akten ihrer Gewalterfahrungen und Zutritt zu ihren Wohnungen. Foto-Text-Paare erzählen dokumentarisch die unterschiedlichen Aspekte häuslicher Gewalt an Frauen und Kindern. Die Wohnungen, in denen die Gewaltverbrechen geschahen, stehen hierbei im Mittelpunkt der Fotografien. Sie sind oft Tatorte, doch als solche – bis auf eine Ausnahme – nicht mehr zu erkennen, da alle Spuren der Verbrechen beseitigt wurden. Beinah unspektakulär und gewöhnlich erscheinen die Fotos daher auf den ersten Blick. Die Texte, die jedem Foto begleitend gegenüber stehen und in denen Fleischanderl die Betroffenen selbst zu Wort kommen lässt, laden die Bilder jedoch stark auf, machen die Dynamik der Gewaltbeziehungen im Sprachbild auf beklemmende Weise sichtbar. Neben Zitaten der Opfer aus den Akten der Gerichtsverfahren werden auch medizinische Befunde sowie Polizeiprotokolle gezeigt, stets unter Wahrung der Anonymität der Betroffenen. Ergänzt werden die Gewaltgeschichten um Glossartexte zu Begriffen struktureller Gewalt.
Dieses Kunstprojekt soll ihre Stimmen hör- und sichtbar machen. Es soll mehr Bewusstsein schaffen und durch den künstlerischen Zugang eine niederschwellige und differenzierte Auseinandersetzung ermöglichen.
Die Publikation zur Ausstellung ist im Kehrer Verlag Heidelberg erschienen (siehe Publikationen & Literatur).
ARBEITEN
Robert Fleischanderl beschäftigt sich in seinen Arbeiten formal immer wieder mit fotografischer Rezeption. Wie werden Bilder wahrgenommen. Seine Projekte bewegen sich oft an der Schnittstelle zwischen Kunst und gesellschaftspolitischen Themen. Er bedient sich dabei gern des Portraits und des großformatigen Bildes bei seinen oft langjährigen Projekten.
Der Kunsthistoriker Hubert Salden schreibt über die Arbeiten von Robert Fleischanderl: „Durch ihre Vielschichtigkeit sind seine Fotografien für das große Format gemacht. Für sie gilt, was Roland Barthes in Die helle Kammer notiert hat: er habe bemerkt, dass es „bestimmte Fotos gab, die stillen Jubel in mir auslösten, so als rührten sie an eine verschwiegene Mitte – einen erotischen Punkt oder eine alte Wunde - die in mir begraben war (wie harmlos auch immer das Sujet erscheinen mochte).
Warum lachst du nicht? 14 Geschichten über häusliche Gewalt, 2024, ist ein hybrides Fotokunstprojekt aus 14 Gewaltgeschichten. 81 Foto-Text-Paare zeigen dokumentarisch die unterschiedlichsten Aspekte häuslicher Gewalt auf. Fotografiert wurde bei den Betroffenen zu Hause, stets begleitet und unterstützt von den Expertinnen* des Gewaltschutzzentrums Niederösterreich. Die Fotografien sind anonymisiert, ohne Orts- und Zeitangaben. Lisa Kärcher hat dazu Texte aus den jeweiligen Verfahrensakten, Erinnerungsberichten, Gutachten, Befunden und Interviews kuratiert, die im Sprachbild die Dynamik der Gewaltbeziehung wiedergeben. Die anonymisierten Foto-Text-Paare eröffnen einen Raum, der dieses Thema erfahr- und spürbar macht. Die Kunstkritikerin Nina Schedlmayer schreibt dazu: „Für Fleischanderls Werk ist es essenziell, dass die Frauen selbst sprechen.“
Der Garten meiner Mutter, 2021, zeigt, wie ein Stück gestalteter Landschaft zum sinnstiftenden Zufluchtsort wird, zu einem Stück Trost spendender Natur. Ein fotografisches Projekt über einen Garten und eine Erbkrankheit in seiner Familie, in acht fotografischen Erzählsträngen.
Hotel House Recanati, 2019, ist eine in Italien zu trauriger Berühmtheit gelangte Architektur. Als Utopie in den sechziger Jahren gebaut und durch Le Corbusiers „Wohnmaschine“ inspiriert, setze in den 90ern eine schleichende Verwandlung in einen grauen und unsicheren Ort ein. Das Hotel Haus als modernes Ghetto.
Broken Promises, seit 2012 work in progress, Abseits vom typisch Seriellen der Fotografie schuf sich Robert Fleischanderl den Freiraum, Einzelbilder zu schaffen, die ohne das Gerüst eines Narrativs für sich alleine stehen. „Allein durch ihre Größe, ihre physische Präsenz, nehmen Fleischanderls Bilder BetrachterInnen in die Pflicht. Das Schauen wird so zu einem aktiven Prozess, zu einer Erfahrung im Raum, zu einem Spiel mit Nähe und Distanz, zu einem Abenteuer.“ (Ann Katrin Fessler)
Children Series, seit 2012 work in progress, sind wie Brigitte Felderer, Universität für Angewandte Kunst, zur Ausstellung Rendezvous ausführte „großangelegte präzise Studien“ über unsere Existenz, zum einem im Format und zum anderen über den Zeitraum über den sich die Arbeiten erstrecken. Seit 2012 sind Momentaufnahmen über die existentiellen Mythen unseres Lebens und unserer Gesellschaft entstanden. Bilder denen ein gewisses Unwohlsein innewohnt. Sie beleuchten die fragilen Strukturen unserer Existenz. Fotografie, die sich nicht am Dokumentarischen orientiert, sondern eine Schaulust zelebriert, eine Tour de Force durch die abendländische Ikonographie bis hin zu den Visuals der zeitgenössischen Alltagskultur. Es sind Einzelbilder, gemäldeartig im Großformat von ein bis zwei Metern, die thematisch lose zusammenhängende Serien ergeben.
Void, 2016, ist eine Dance & Visual Arts Performance in fünf Akten von Robert Fleischanderl, verantwortlich für Konzept, Regie, Bühnenbild, Visuals und Produktion. Eine Performance, die sich mit der aktuellen Frage beschäftigt, was von einem Menschen übrigbleibt, wenn er alles verloren hat. Was bleibt vom Mensch, wenn er nur noch sich selbst hat, seinen eigenen, nackten Körper? Eingesperrt in einem durchsichtigen Kubus ohne Ausgang, fängt die Suche nach dem verlorenen Ich an. Eine Parallelerzählung aus Körper und Bildern die sich mit dem Menschsein in der Extremsituation auseinandersetzen. In Kooperation mit Leonie Wahl.
Alt.sein., 2013, war ein Kunst im öffentlichen Raum Projekt im Altenwohnheim in Fügen im Zillertal. Die Fotos der Heimbewohner erzählen vom Leben in einem Altersheim, den Themen Alter, Krankheit, Tod, Isolation, Selbstbestimmung, Sexualität, Würde und Kontrollverlust. Der ehemalige Speisesaal wurde zur temporären Galerie, das Altenwohnheim öffentlich und die Bevölkerung ins Haus eingeladen. Gleichzeitig wurden die Bewohner mittels Bilder und einer Plakataktion in das ganze Tiroler Unterland hinausgesandt.
Der Untergang Tirols, 2011, ist ein Film und eine Polemik über Tirol und die Tiroler. Die Tiroler Traditionen werden mit Witz und Boshaftigkeit hinterfragt. Der Film umfasst Kulturkritik, von Lederhosen-Architektur bis Zeltfest-Taumel. Dabei wildert der Film durch die Kunst- und Kulturgeschichte und bedient sich großzügig an ihrem unerschöpflichen Zitatenschatz. Sprache Deutsch, Laufzeit 21:40 min, Produktion, Drehbuch, Regie, Kamera & Animation: Robert Fleischanderl, Musik: Franui, Florian und Sepp Pedarnig.
2000-2006 Neue Architektur in Südtirol, 2007, ist die erste Dokumentation des aktuellen Baugeschehens im städtischen, ländlichen und alpinen Umfeld in Südtirol, im nördlichsten Landesteil Italiens. Neben Bettina Schlorhaufers Texten sind die Fotos Robert Fleischanderls integrativer Bestandteil dieser Publikation. Er hat die neue Architektur Südtirols in Form von Bildreportagen festgehalten und dabei mit den Menschen abgelichtet, die sie beleben. Das Projekt wurde auch als große Wanderausstellung gezeigt.
In Guschlbauer weiche Kokosbusserl, Österreichische Ansichten, ein fotografischer Kommentar, 2003, liefert Robert Fleischanderl einen künstlerischen Kommentar zum österreichischen Alltag, der sich grundlegend von dem Bild unterscheidet, das die Werbung, die Tourismusverbände und das offizielle Österreich gerne von diesem Land entwerfen. Robert Menasse schreibt dazu. "Man kann Klischees reproduzieren. Man kann sie denunzieren. Es gibt einen dritten Weg. Es ist im künstlerischen Versuch der Realitätsabbildung der einzig gangbare. Robert Fleischanderl ist ihn gegangen."
fourteen people, 1998, ist eine Dokumentation mit Photographien und Texten über deutschsprachige, jüdische Emigranten aus Österreich, Deutschland, Polen und Ungarn, von wo sie 1938 zum größten Teil nach London flüchteten und seit damals dort leben – irgendwo zwischen zwei Kulturen. Es ist eine photographische Dokumentation über ein Stück Zeitgeschichte, über die Suche von Identität als Teil der Geschichte, in der Vertreibung einst aber vor allem im Leben von heute. Ian Jeffrey schreibt im Vorwort: „‚fourteen people‘ braucht und verdient eine sehr sorgfältige Betrachtung. Trotz des bescheidenen Titels beschäftigt sich das Buch äußerst effektiv und gründlich mit Fragen der Geschichte und Ethik, mit dem immer wiederkehrenden Problem des Ich und Du. Wie bringen wir diese Begegnungen mit dem anderen, mit jedem anderen zustande? „fourteen people“ gestattet uns, die Situation einzuüben und über sie nachzudenken. Fleischanderl und die Teilnehmer seines Projekts verdienen Bewunderung und Lob, weil sie so vieles implizieren und gleichzeitig nur als sie selbst erscheinen.“
Unrealities, 1997 - 2005 ist eine Gratwanderung zwischen Dokumentation und Fiktion, die den Betrachter einlädt, die scheinbare Wirklichkeit in Bildern zu hinterfragen. Die Fotografien sind keine Abbildung der Wirklichkeit, vielmehr sind sie inszenierte Standbilder, Filmstills nicht unähnlich.
Alterserscheinungen, 1996, intime Foto und Portraits aus einem Altersheim. Robert Fleischanderl absolvierte seinen Zivildienst auf einer Pflegestation in einem Altersheim in Tirol und leistete Dienst mit Kamera.